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Vertrag des Freistaates Thüringen mit den
Evangelischen Kirchen in Thüringen

Vom 15. März 1994

(ABl. ELKTh S. 85)

Der Freistaat Thüringen,
vertreten durch den Thüringer Ministerpräsidenten,
und
die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen,
die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,
die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck,
die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens,
jeweils vertreten durch ihre kirchenordnungsmäßigen Vertreter,
haben
  • in dem Willen, die Eigenständigkeit der Kirche und den Grundsatz der gegenseitigen Unabhängigkeit von Staat und Kirche unter Beachtung des Grundrechts der Religionsfreiheit und des Öffentlichkeitsauftrags der Kirche zu wahren und zu sichern,
  • mit dem Wunsch, zu einer Vereinbarung über die Wahrnehmung des Auftrages der Kirche in einem religiös-weltanschaulich neutralen Staat zu gelangen und dadurch insbesondere die bildungs- und kulturpolitische sowie die sozialdiakonische Tätigkeit der Kirchen im Freistaat Thüringen zu fördern,
  • unter Berücksichtigung und inhaltlicher Fortbildung von historisch gewachsenen Rechten und Pflichten,
  • mit dem Ziel, die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Kirche in einer freiheitlichen Grundordnung auf eine umfassende neue Grundlage zu stellen und dauerhaft zu gestalten, folgendes vereinbart:
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Artikel 1

( 1 ) Der Freistaat Thüringen gewährleistet die Freiheit, den evangelischen Glauben zu bekennen und öffentlich auszuüben.
( 2 ) Die Kirchen ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinden zu verleihen oder zu entziehen.
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Artikel 2

( 1 ) Die Landesregierung und die Kirchen werden sich regelmäßig zu Gesprächen über solche Fragen treffen, die ihr Verhältnis zueinander berühren oder von beiderseitigem Interesse sind.
( 2 ) Sie werden sich vor der Regelung von Angelegenheiten, die die beiderseitigen Interessen maßgeblich berühren, rechtzeitig miteinander ins Benehmen setzen und sich zur Besprechung solcher Fragen zur Verfügung stellen.
( 3 ) Die Kirchen unterrichten die Landesregierung über Vakanzen und Neubesetzungen ihrer leitenden Ämter.
( 4 ) Die Kirchen werden untereinander eine enge Zusammenarbeit aufnehmen, um ihre Anliegen gegenüber dem Freistaat Thüringen einheitlich zu vertreten. Dazu und zur gegenseitigen Information bestellen sie einen gemeinsamen Beauftragten am Sitz der Landesregierung.
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Artikel 3

( 1 ) Für die wissenschaftlich-theologische Ausbildung der Geistlichen und der Religionspädagogen bleibt die Evangelisch-Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhalten. Der Freistaat Thüringen wird die Neugründung einer weiteren Evangelisch-Theologischen Fakultät nur im Benehmen mit den Kirchen vornehmen.
( 2 ) Vor der Anstellung eines Professors und vor der unbefristeten Anstellung eines Hochschuldozenten für ein Fachgebiet der evangelischen Theologie oder der Religionspädagogik an einer Hochschule des Freistaats Thüringen wird den Kirchen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Werden Bedenken geäußert, die sich auf die kirchliche Lehre und das Bekenntnis beziehen und im einzelnen begründet werden, wird die Landesregierung diese Stellungnahme beachten.
( 3 ) Die Promotions- und Habilitationsordnungen sowie die Prüfungsordnung im Fach Evangelische Theologie und die Prüfungsordnungen zur Erlangung der Lehramtsbefähigung für das Fach Evangelische Religion an allen Schularten und -stufen werden mit dem Ziel einer freundschaftlichen Verständigung im Benehmen mit den Kirchen genehmigt.
( 4 ) Die Kirchen behalten das Recht, eigene Prüfungsämter für den Abschluss einer wissenschaftlich-theologischen Ausbildung einzurichten. Die Wirkungen der kirchlichen Prüfungen im staatlichen Bereich richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.
( 5 ) Den evangelischen Universitätsprediger ernennt die örtlich zuständige Kirchenleitung im Einvernehmen mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät aus dem Kreis der ordinierten Mitglieder der Fakultät.
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Artikel 4

Die staatliche Anerkennung kirchlicher Hochschulen richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.
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Artikel 5

( 1 ) Der evangelische Religionsunterricht ist an den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach.
( 2 ) Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts haben die Kirchen das Recht, sich nach einem mit der staatlichen Schulaufsicht vereinbarten Verfahren durch Einsichtnahme zu vergewissern, dass der Inhalt und die Gestaltung des Religionsunterrichts den Grundsätzen der Kirche entsprechen.
( 3 ) Richtlinien, Lehrpläne und Lehrbücher für den evangelischen Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit den Kirchen zu bestimmen.
( 4 ) Zur Sicherung des Religionsunterrichts werden Lehrer mit kirchlicher Bevollmächtigung (Vocatio) im erforderlichen Umfang an den Schulen eingesetzt. Die Gestellung kirchlicher Lehrkräfte für den Religionsunterricht wird nach Maßgabe einer gesonderten Vereinbarung ermöglicht.
( 5 ) Die Erteilung des evangelischen Religionsunterrichts setzt die Vocatio der zuständigen Kirche voraus. Die Kirche kann die Bevollmächtigung in begründeten Fällen widerrufen. Sie teilt den Widerruf der staatlichen Schulaufsicht mit. Mit dem Widerruf endet die Berechtigung, Religionsunterricht zu erteilen.
( 6 ) Der Freistaat Thüringen gewährleistet im Bereich der Hochschulen im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt die wissenschaftliche Vorbildung in evangelischer Theologie und Religionspädagogik.
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Artikel 6

( 1 ) Das Recht zur Errichtung von Schulen in kirchlicher Trägerschaft wird gewährleistet.
( 2 ) Der Freistaat Thüringen wird Schulen in kirchlicher Trägerschaft im Rahmen der staatlichen Gesetze anerkennen und angemessen fördern.
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Artikel 7

( 1 ) Die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts; ihr Dienst ist öffentlicher Dienst.
( 2 ) Die Kirchen werden Beschlüsse über die Bildung und Veränderung ihrer Kirchengemeinden und der aus ihnen gebildeten Verbände dem zuständigen Ministerium mitteilen. Die Errichtung öffentlich-rechtlicher kirchlicher Anstalten und Stiftungen bedarf der Genehmigung des zuständigen Ministeriums.
( 3 ) Die Vorschriften der Kirchen über die vermögensrechtliche Vertretung der kirchlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts werden dem zuständigen Ministerium vorgelegt. Das Ministerium kann Einspruch erheben, wenn eine ordnungsgemäße vermögensrechtliche Vertretung nicht gewährleistet wird. Der Einspruch ist bis zum Ablauf zweier Monate seit Vorlage zulässig. Über den Einspruch entscheidet auf Klage der Kirche das zuständige Oberverwaltungsgericht.
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Artikel 8

( 1 ) Das Eigentum und andere Vermögensrechte der Kirchen und ihrer religiösen Vereine werden nach Maßgabe von Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 2 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung) gewährleistet.
( 2 ) Bei der Anwendung enteignungsrechtlicher Vorschriften werden die Landesbehörden auf die kirchlichen Belange Rücksicht nehmen. Beabsichtigen die Kirchen oder ihre religiösen Vereine, in Fällen der Enteignung oder der Veräußerung kirchlicher Grundstücke gleichwertige Ersatzgrundstücke zu erwerben, werden die Landesbehörden ihnen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen entgegenkommen.
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Artikel 9

( 1 ) Die Kirchen verpflichten sich, im Rahmen ihrer Möglichkeiten denkmalgeschützte Gebäude nebst den dazugehörigen Grundstücken sowie den Kunst- und Kultusgegenständen zu erhalten und zu pflegen. Sie werden Veräußerungen und Veränderungen nur im Benehmen mit dem Ziel der Verständigung mit den staatlichen Denkmalbehörden vornehmen und dafür sorgen, dass die Kirchengemeinden und sonstigen kirchlichen Verbände entsprechend verfahren.
( 2 ) Bei der Vergabe der Mittel des Freistaats Thüringen für Denkmalpflege werden die Kirchen angemessen berücksichtigt. Der Freistaat Thüringen wird sich dafür einsetzen, dass die Kirchen auch von solchen Einrichtungen Hilfe erhalten, die auf nationaler und internationaler Ebene für die Denkmalpflege tätig sind.
( 3 ) Soweit das Schatzregal Anwendung findet, werden diese Kulturdenkmäler den Kirchen auf Antrag als Dauerleihgabe überlassen.
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Artikel 10

( 1 ) Für staatliche Grundstücke und Gebäude, die kirchlichen oder diakonischen Zwecken gewidmet sind, bleiben diese Widmung und die Bauunterhaltungspflicht des Freistaats Thüringen bis zum Abschluss vom Vereinbarungen nach Absatz 2 bestehen.
( 2 ) Der Freistaat Thüringen und die Kirchen werden möglichst bald in Verhandlungen über eine Übertragung des Eigentums an solchen Grundstücken und Gebäuden an die Kirchen und über endgültige Regelungen der Baulast eintreten.
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Artikel 11

( 1 ) Die im Freistaat Thüringen bestehenden staatlichen Patronatsrechte sind aufgehoben.
( 2 ) Bezüglich der früheren Vereinigten Kirchen- und Schulämter werden die Vertragsparteien darauf hinwirken, dass sowohl die kommunalen Gebietskörperschaften als auch die Kirchengemeinden und etwa weiter betroffene kirchliche Gliederungen zügig die erforderlichen Auseinandersetzungsverträge abschließen oder die bereits abgeschlossenen Verträge durchführen.
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Artikel 12

( 1 ) In staatlichen Krankenhäusern und Justizvollzugsanstalten sowie in den sonstigen öffentlichen Anstalten des Freistaats Thüringen, in denen eine seelsorgerliche Betreuung üblich ist, werden die Kirchen zu Gottesdienst und Seelsorge zugelassen. Besteht in diesen Einrichtungen das Bedürfnis nach regelmäßigem Gottesdienst und Seelsorge, wird der Freistaat Thüringen dafür Sorge tragen, dass im Rahmen der vorhandenen Gebäude geeigneter Raum zur Verfügung gestellt wird.
( 2 ) Bei entsprechenden Einrichtungen anderer Träger wird der Freistaat Thüringen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten darauf hinwirken, dass eine entsprechende seelsorgerliche Betreuung erfolgen kann.
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Artikel 13

( 1 ) Der Freistaat Thüringen zahlt an die Kirchen anstelle früher gewährter Dotationen für kirchenregimentliche Zwecke und Zuschüsse für Zwecke der Pfarrerbesoldung und -versorgung, anstelle aller Geld- und Sachleistungen aufgrund staatlicher Baulastverpflichtungen an Gebäuden im kirchlichen Eigentum sowie anstelle aller anderen auf älteren Rechtstiteln beruhenden Zahlungen einen jährlichen Gesamtzuschuss (Staatsleistung). Die Kirchen stellen den Freistaat Thüringen von allen Verpflichtungen zu Geld- und Sachleistungen an die Kirchengemeinden, insbesondere aus Baulastpflichten, frei. Über die Staatsleistung hinaus werden weitere Leistungen an die Kirchen und ihre Kirchengemeinden nur erbracht, wenn sie in diesem Vertrag oder den allgemeinen Gesetzen vorgesehen sind.
( 2 ) Die Staatsleistung beträgt 1994
  1 100 000 DM für die Abgeltung der Baulasten,
18 240 000 DM für die Abgeltung aller anderen älteren Titel.
( 3 ) Ändert sich nach dem 1. Januar 1994 die Besoldung der Beamten im Staatsdienst, so ändert sich die Staatsleistung auf der Grundlage der für das Jahr 1994 vereinbarten Höhe entsprechend. Zugrunde gelegt wird das Eingangsamt für den höheren nichttechnischen allgemeinen Verwaltungsdienst, Besoldungsgruppe A 13 der Bundesbesoldungsordnung, 7. Dienstaltersstufe, verheiratet, 2 Kinder.
( 4 ) Darüber hinaus erfolgt in den Jahren 1995 bis 1998 eine Erhöhung der Staatsleistung für die Abgeltung von Baulasten in Höhe von jährlich 275 000 DM.
( 5 ) Durch Vereinbarung der Kirchen untereinander wird die Staatsleistung auf die Kirchen aufgeteilt. Die Vereinbarung ist dem zuständigen Ministerium anzuzeigen.
( 6 ) Die Staatsleistung wird mit einem Zwölftel des Jahresbetrages jeweils monatlich im voraus unter Berücksichtigung der Vereinbarung nach Absatz 5 an die Kirchen gezahlt.
( 7 ) Für eine Ablösung der Staatsleistung gilt Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung.
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Artikel 14

( 1 ) Die Kirchen und Kirchengemeinden sind berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen aufgrund von Steuerordnungen Kirchensteuern, insbesondere auch Kirchengeld, zu erheben. Die Kirchensteuerordnungen und die Kirchensteuerbeschlüsse einschließlich ihrer Änderungen und Ergänzungen bedürfen der staatlichen Anerkennung.
( 2 ) Die Kirchen werden sich für die Bemessung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer (Lohnsteuer) auf einen einheitlichen Zuschlagsatz, bei Erhebung einer Mindestbetragskirchensteuer sowie eines Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe auf einheitliche Beträge einigen.
( 3 ) Die Kirchen werden ihre Kirchensteuerbeschlüsse und deren Änderungen und Ergänzungen dem zuständigen Ministerium unverzüglich anzeigen; Kirchensteuerbeschlüsse gelten als anerkannt, wenn sie den anerkannten Beschlüssen des vorhergehenden Haushaltsjahres entsprechen.
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Artikel 15

( 1 ) Auf Antrag der Kirchen hat das zuständige Ministerium die Verwaltung der anerkannten Landeskirchensteuern den Finanzämtern zu übertragen. Soweit die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn in Thüringer Betriebsstätten erhoben wird, sind die Arbeitgeber zu verpflichten, auch die Kirchensteuer nach dem anerkannten Satz einzubehalten und abzuführen.
( 2 ) Der Freistaat Thüringen erhält für die Verwaltung der Kirchensteuer eine Vergütung, deren Höhe sich nach dem vereinnahmten Kirchensteueraufkommen richtet. Sie wird als jährlicher Vomhundertsatz gesondert vereinbart. Die Finanzämter sind verpflichtet, den zuständigen kirchlichen Stellen in allen Kirchensteuerangelegenheiten im Rahmen der vorhandenen Unterlagen und eines vertretbaren Verwaltungsaufwandes unter Berücksichtigung des Datenschutzes Auskunft zu geben.
( 3 ) Die Vollstreckung der Kirchensteuern wird auf Antrag der Kirchen den Finanzämtern oder, wenn die kommunalen Gebietskörperschaften zustimmen, diesen übertragen.
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Artikel 16

( 1 ) Die Kirchen und ihre Kirchengemeinden sind berechtigt, von ihren Mitgliedern, unabhängig von Kirchensteuern und Kirchgeld, Spenden und andere freiwillige Leistungen für kirchliche Zwecke zu erbitten.
( 2 ) Für die Kirchen und ihre diakonischen Einrichtungen gelten darüber hinaus alljährlich zwei allgemeine öffenliche Haus- und Straßensammlungen für kirchliche Zwecke als genehmigt. Die Termine dieser Sammlungen werden in Absprache mit der zuständigen Landesbehörde festgelegt.
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Artikel 17

Auf Landesrecht beruhende Gebührenbefreiungen für den Staat gelten auch für die Kirchen, ihre Kirchengemeinden sowie ihre öffentlich-rechtlichen Anstalten, Stiftungen und Verbände.
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Artikel 18

Die Kirchen nehmen an der Erwachsenenbildung mit eigenen Einrichtungen teil. Diese werden im Rahmen der geltenden Bestimmungen in die finanzielle Förderung der Erwachsenenbildung durch den Freistaat Thüringen einbezogen.
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Artikel 19

Die Kirchen und ihre diakonischen Werke haben das Recht, im Bildungs- und Sozialbereich sowie im Gesundheitswesen Einrichtungen für die Betreuung und Beratung besonderer Zielgruppen zu unterhalten. Die Förderurng dieser Einrichtungen erfolgt nach Maßgabe der Gesetze.
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Artikel 20

Der Schutz der Sonntage und der staatlich anerkannten kirchlichen Feiertage wird gewährleistet.
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Artikel 21

Unberührt bleiben die gesetzlichen Bestimmungen, nach denen Geistliche, ihre Gehilfen und die Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, berechtigt sind, das Zeugnis über dasjenige zu verweigern, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist. Der Freistaat Thüringen wird für die Aufrechterhaltung dieses Schutzes des Seelsorge- und Beichtgeheimnisses eintreten.
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Artikel 22

( 1 ) Kirchliche Friedhöfe genießen staatlichen Schutz.
( 2 ) Die Bestattung Nicht- oder Andersgläubiger auf kirchlichen Monopolfriedhöfen wird gewährleistet.
( 3 ) Benutzungs- und Gebührenordnungen für kirchliche Friedhöfe bedürfen der Genehmigung der für das Bestattungswesen zuständigen Behörden. Die Friedhofsgebühren werden auf Antrag des kirchlichen Rechtsträgers im Verwaltungsvollstreckungsverfahren eingezogen. Der Freistaat Thüringen bestimmt die zuständigen Vollstreckungsbehörden. Die durch Vollstreckungsmaßnahmen entstehenden und nicht beitreibbaren Verwaltungskosten und Auslagen sind vom kirchlichen Träger zu erstatten.
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Artikel 23

( 1 ) Der Freistaat Thüringen wird darauf hinwirken, dass in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie in Vollprogrammen privater Rundfunkveranstalter im Rahmen des gesetzlich geregelten Programmauftrags das Leben der Evangelischen Kirche in den Eigensendungen der Anstalten angemessen berücksichtigt wird.
( 2 ) Landesrechtliche Vorschriften, nach denen
  1. die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie die privaten Veranstalter von Vollprogrammen, diese gegebenenfalls gegen Erstattung ihrer Selbstkosten, den Kirchen auf Wunsch angemessene Sendezeit zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen haben,
  2. alle Rundfunkveranstalter in ihren Sendungen die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer achten müssen,
bleiben aufrechterhalten.
( 3 ) In den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Landesanstalt für privaten Rundfunk sind die Kirchen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vertreten.
( 4 ) Das Recht der Kirchen, gemäß den gesetzlichen Vorschriften privaten Rundfunk zu veranstalten oder sich an Rundfunkgesellschaften des Privatrechts zu beteiligen, bleibt unberührt.
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Artikel 24

( 1 ) Den Kirchen werden nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Daten aus dem Melderegister übermittelt. Der Freistaat Thüringen wird sich dafür einsetzen, dass die dafür notwendigen Erhebungs- und Übermittlungsmöglichkeiten erhalten bleiben.
( 2 ) Die Übermittlung der Daten setzt voraus, dass bei den Kirchen ausreichende Datenschutzmaßnahmen getroffen sind.
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Artikel 25

( 1 ) Im Verfahren vor den Kirchengerichten und im förmlichen Disziplinarverfahren gegen Geistliche und Kirchenbeamte sind die Kirchengerichte und Disziplinargerichte berechtigt, Zeugen und Sachverständige zu vereidigen.
( 2 ) Lehrbeanstandungsverfahren sind hierbei ausgenommen.
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Artikel 26

Die Vertragschließenden werden zwischen ihnen etwa auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beilegen.
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Artikel 27

( 1 ) Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen in Erfurt ausgetauscht werden.
( 2 ) Der Vertrag tritt am Tage nach diesem Austausch in Kraft.
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Schlussprotokoll

Zu Artikel 2 Absatz 1:
Unter regelmäßigen Gesprächen sind Zusammenkünfte gemeint, die möglichst einmal jährlich stattfinden.
Zu Artikel 2 Absatz 4:
Personen- und Funktionsbezeichnungen in diesem Vertrag gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.
Zu Artikel 3 Absatz 1:
Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die Bestandsgarantie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena daran gebunden ist, dass die Pfarrerausbildung auch in Zukunft ganz überwiegend in der Form des theologischen Studiums an den staatlichen Hochschulen und den bestehenden kirchlichen Hochschulen (Bethel, Neuendettelsau und Wuppertal) stattfindet.
Zu Artikel 3 Absatz 2:
Die Stellungnahme der Kirchen wird nach Vorliegen des Berufungsvorschlages und nach Festlegung der zur Berufung vorgesehenen Person durch das zuständige Ministerium eingeholt. Die Landesregierung wendet sich dazu an die Kirchenleitung derjenigen Kirche, in deren Bereich die Hochschule ihren Sitz hat. Die innerkirchliche Abstimmung ist Angelegenheit dieser Kirchenleitung. Wird innerhalb von sechs Wochen nach Zugang der Anforderung keine Stellungnahme abgegeben, wird davon ausgegangen, dass von Seiten der Kirchen keine Bedenken geäußert werden.
Will die Landesregierung trotz fristgemäß geäußerter Bedenken das Berufungsverfahren für die ausgewählte Person fortsetzen, so werden die Bedenken mit Vertretern der Fakultät und der Kirchenleitung mit dem Ziel der Verständigung erörtert.
Maßgebend sind derzeit die §§ 113 bis 116 und 128 des Thüringer Hochschulgesetzes vom 7. Juli 1992.
Zu Artikel 7 Absatz 1:
Die Vertragschließenden lassen sich davon leiten, dass ein Wechsel aus dem kirchlichen in den staatlichen Dienst und umgekehrt durch Anwendung der dienstrechtlichen Bestimmungen keine unangemessenen Nachteile zur Folge hat.
Zu Artikel 8 Absatz 2:
Bei Vermögensverlusten durch Enteignung vor dem 3. Oktober 1990 richten sich die Ansprüche nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Zu Artikel 9 Absatz 1:
Bei dem Gottesdienst gewidmeten Gegenständen (res sacrae) sind religiöse Belange vorrangig zu berücksichtigen. Sofern staatlicher Denkmalschutz und liturgische Interessen der Kirchen in Konflikt geraten, haben in der Interessenabwägung die liturgischen Belange Vorrang.
Zu Artikel 12 Absatz 1:
Üblich bezeichnet eine Praxis, die sich auf der Grundlage von Artikel 141 der Weimarer Reichsverfassung entwickelt hat. Geeigneter Raum sind auch Mehrzweckräume.
Das Nähere kann durch besondere Vereinbarung geregelt werden. Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass hieraus kein Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Vereinbarung hergeleitet werden kann.
Zu Artikel 13 Absatz 6:
Ein Nachweis über die Verwendung der Mittel ist nicht erforderlich.
Zu Artikel 14 Absatz 3:
Tritt eine wesentliche Änderung der für die Höhe der Kirchensteuer maßgeblichen Verhältnisse ein, wird das zuständige Ministerium die Kirchen auf die Notwendigkeit einer Anpassung der Kirchensteuerhebesätze schriftlich unter Darlegung der Gründe hinweisen und Verhandlungen mit dem Ziel einer Verständigung führen. Die Genehmigungsfiktion entfällt dann mit Ablauf des Haushaltsjahres, das auf das Jahr des Zugangs des Schreibens folgt.
Zu Artikel 15 Absatz 2:
Die Kirchen gewährleisten die Wahrung des Steuergeheimnisses nach Maßgabe der zu seinem Schutz erlassenen staatlichen Bestimmungen.
Für Amtshandlungen, die aufgrund eines Gesetzes von privaten (beliehenen) Unternehmern vorgenommen werden, besteht auch für die Kirchen keine Gebührenfreiheit.
Der Freistaat Thüringen wird gesetzliche Regelungen treffen, um den Schutz der Gottesdienste an kirchlichen Feiertagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, zu gewährleisten.
Zu Artikel 22 Absatz 2:
Diese Gewährleistung steht unter der Voraussetzung, dass die für den Friedhof geltenden Vorschriften, insbesondere die über die Benutzung der Grabstätten, über die Liegedauer und über eine mögliche Entwidmung, anerkannt werden.
Zu Artikel 22 Absatz 3:
Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die staatliche Genehmigung der Benutzungsordnungen nur aus ordnungsrechtlichen, insbesondere bau- und seuchenpolizeilichen, Gründen versagt werden darf.
Zu Artikel 23 Absatz 2:
Religiöse Sendungen sind nicht auf die Übertragung gottesdienstlicher oder liturgischer Handlungen beschränkt.
Die Feststellung, dass ausreichender Datenschutz gewährleistet ist, trifft das zuständige Ministerium aufgrund der von den Kirchen vorzulegenden kirchengesetzlichen Regelungen.
Zu Artikel 25 Absatz 1:
Der den Eid Abnehmende muss die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen.
Dies gilt nicht für die bei Inkrafttreten dieses Vertrages im Amt befindlichen Vorsitzenden der Kirchengerichte.
Sollte der Freistaat Thüringen in Verträgen mit anderen vergleichbaren Religionsgemeinschaften über diesen Vertrag hinausgehende Rechte und Leistungen gewähren, werden die Vertragsschließenden gemeinsam prüfen, ob wegen des Grundsatzes der Parität Änderungen dieses Vertrages notwendig sind.
Zu Artikel 27 Absatz 2:
Es besteht Übereinstimmung, dass alle etwa noch geltenden, die Vertragschließenden bindenden vertraglichen Regelungen aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 durch diesen Vertrag ersetzt werden.