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Richtlinie über die Anlage des Geld- und Wertpapiervermögens der Kirchengemeinden und Kirchenkreise der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
(Anlagerichtlinie Kirchenkreise – AnlRKK)

Vom 6. September 2019 (ABl. S. 242).

Der Landeskirchenrat hat aufgrund von Artikel 82 Absatz 1 der Verfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Kirchenverfassung EKM – KVerfEKM) vom 5. Juli 2008 (ABl. S. 183) und gemäß § 63 Nummer 6 der Ausführungsverordnung zum Kirchengesetz über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Ausführungsverordnung zum Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesengesetz – AVHKRG) vom 19. Oktober 2012 (ABl. 2013 S. 34) folgende Richtlinie erlassen:
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§ 1
Geltungsbereich

Diese Richtlinie regelt die Anlage des Geld- und Wertpapiervermögens der Kirchengemeinden, Kirchenkreise und deren Zusammenschlüsse sowie ihrer rechtlich unselbständigen Einrichtungen.
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§ 2
Liquiditätsplanung

Der Barbestand und der Bestand auf Bankkonten (Kassenbestand) sind auf der Grundlage einer Liquiditätsplanung wirtschaftlich zu verwalten.
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§ 3
Anlagegrundsätze zur Verwaltung des Geld- und Wertpapiervermögens

( 1 ) Geldmittel, die nicht als Kassenbestand auf laufenden Konten für den Zahlungsverkehr (Liquidität) benötigt werden, sowie Finanzanlagen zur Deckung der Rücklagen und finanzierter Rückstellungen sind sicher und Ertrag bringend anzulegen. Die Art der Anlage muss mit dem kirchlichen Auftrag vereinbar sein (§ 4). Dabei ist darauf zu achten, dass die Mittel bei Bedarf verfügbar sind.
( 2 ) Zur Liquidität zählen auch Termin- und Tagesgelder sowie Spareinlagen mit einer Laufzeit von bis zu 12 Monaten.
( 3 ) Die Anlagen sind so zu wählen, dass das gesamte Geld- und Wertpapiervermögen langfristig erhalten bleibt. Grundsätzlich ist ein realer Kapitalerhalt anzustreben. Vorrangig für die Anlageentscheidung ist der Grundsatz „Sicherheit vor Ertrag“.
( 4 ) Die Fälligkeiten des Geld- und Wertpapiervermögens sollen so gewählt werden, dass eine optimale Verteilung des Vermögens gewährleistet ist. Durch die Fälligkeitsstruktur soll das Wiederanlagerisiko hinsichtlich der dann jeweils gültigen Zinssätze reduziert werden und gegebenenfalls dann geplante Investitionen realisiert werden können.
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§ 4
Vereinbarkeit mit dem kirchlichen Auftrag

( 1 ) Anlagen sind mit dem kirchlichen Auftrag vereinbar, wenn sie mit den Grundsätzen aus dem „Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlagen in der Evangelischen Kirche“ (EKD-Leitfaden) übereinstimmen, insbesondere wenn sie sozialverträglich, ökologisch und generationengerecht sind.
( 2 ) Der Erwerb von Aktien und Anleihen nachfolgender Unternehmen und Staaten sind mit dem kirchlichen Auftrag nicht vereinbar:
  1. Unternehmen, die an der Entwicklung oder Herstellung von Rüstungsgütern (im Sinne der Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz) beteiligt sind sowie Unternehmen, die unabhängig von ihrem Umsatzanteil an der Entwicklung oder Herstellung von geächteten Waffen beteiligt sind.
  2. Unternehmen, die Spirituosen mit einem Mindestalkoholgehalt von 15 Volumenprozent herstellen, da von diesen Produkten ein erhöhtes Suchtpotential ausgeht.
  3. Unternehmen, deren Produkte bei übermäßigem oder dauerhaftem Konsum eine Suchtgefahr darstellen, insbesondere Tabak und nicht staatlich kontrolliertes Glücksspiel.
  4. Unternehmen, die durch ihre Produkte die Menschenwürde derart verletzen, dass sie Personen verunglimpfen oder erniedrigend darstellen.
  5. Unternehmen, die selbst oder deren Zulieferer systematisch Menschenrechte verletzen (im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte).
  6. Unternehmen, die Kohle oder Öl aus Ölsand und Ölschiefer fördern oder signifikante Reserven dieser Rohstoffe vorhalten.
  7. Unternehmen, die gentechnisch verändertes Saatgut herstellen.
Es gilt eine Umsatzschwelle von mehr als 10 Prozent.
Im Rentenmarkt werden darüber hinaus Anleihen von Staaten ausgeschlossen:
  • deren Friedensstatus nach dem Global Peace Index (GPI) des Institute for Economics and Peace als sehr niedrig („very low“) eingestuft wird;
  • die die Todesstrafe praktizieren;
  • die als besonders korrupt (im Sinne des CPI von Transparency International) wahrgenommen werden (CPI = Corruption Perceptions Index) (Rating < 40);
  • deren Klimaschutzleistungen nach dem Klimaschutz-Index von Germanwatch als sehr schlecht („very poor“) bewertet werden;
  • die als „Nicht-Frei“ (im Sinne von „Freedom in the World“ der Organisation und Forschungseinrichtung „Freedom House“) klassifiziert werden.
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§ 5
Zulässige Anlageformen

( 1 ) Folgende Anlagen und Beteiligungen sind zulässig:
  1. kurzfristige Geldanlagen (Tages-, Fest- und Termingeld) bei Kreditinstituten, die Mitglied eines Einlagensicherungsfonds sind und eine 100-prozentige Einlagensicherung vorweisen;
  2. Konten bei Kreditinstituten, die Mitglied eines Einlagensicherungsfonds sind und eine 100-prozentige Einlagensicherung vorweisen;
  3. Anteile an von der Landeskirche verwalteten Anlageformen;
  4. Genossenschaftsanteile Deutscher Volks- und Raiffeisenbanken einschließlich Kirchenbanken;
  5. Erwerb einer Genossenschaftsbeteiligung an Oikocredit.
  6. Aktien oder Genossenschaftsanteile, deren Erwerb, Handel oder Veräußerung an das Eigentum von Grund und Boden gebunden ist (insbesondere Zuckerrüben- Aktien/-Anteile).
Genehmigungsvorbehalte nach § 22 Nummer 2 Vermögensverwaltungs- und Aufsichtsgesetz bleiben unberührt.
( 2 ) Darüber hinaus sind für Kirchengemeinden, Kirchenkreise sowie deren Zusammenschlüsse, die Mitglied einer Kassengemeinschaft sind und von einem Kreiskirchenamt verwaltet werden, folgende Wertpapiere zulässig:
  1. Rentenfonds, die größtenteils in Euro-Anleihen von Emittenten mit einwandfreier Bonität (Investment Grade) investieren;
  2. gemischte Fonds und Vermögensverwaltungen mit defensiver Ausrichtung (Aktienanteil bis zu 30 Prozent);
  3. Anleihen von Staaten und Unternehmen, dazu zählen strukturierte Wertpapiere mit Kapitalgarantie, Anleihen von Staaten und Gebietskörperschaften, Pfandbriefe inkl. Covered Bonds, Corporate Bonds (Financial und Non- Financial) und Anleihen von Supranationalen Einrichtungen. Bei Erwerb dieser Papiere muss mindestens Investment Grade des Emittenten oder des einzelnen Wertpapiers vorliegen;
  4. offene Immobilienfonds mit Schwerpunkt Deutschland-Europa sowie nach Freigabe durch das Landeskirchenamt auch Spezialimmobilienfonds mit selbigem Schwerpunkt.
  5. Darüber hinaus können weitere Wertpapiere, die nachhaltig im Sinne des EKD-Leitfadens sind, nach Freigabe durch das Landeskirchenamt erworben werden. Vom Landeskirchenamt freigegebene Wertpapiere sind von den Beschränkungen des § 5 Absatz 2 Nummer 2 und des § 6 Absatz 2 befreit.
( 3 ) Für die Bewertung des Investmentgrades ist die Tabelle (Anlage) verbindlich. Im Falle eines unterschiedlichen Ratings durch verschiedene Agenturen zählt das schlechteste Rating.
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§ 6
Beschränkungen

( 1 ) In Wertpapiere nach § 5 Absatz 2 dürfen jeweils maximal 10 Prozent des Geld- und Wertpapiervermögens je Emittent bzw. Fonds angelegt werden.
( 2 ) Mit der Anlage in Wertpapieren nach § 5 Absatz 2 Nummer 3 dürfen keine Währungsrisiken verbunden sein. Fonds nach § 5 Absatz 2 Nummern 1, 2 und 4 müssen in Euro aufgelegt und überwiegend in Euro investiert oder überwiegend gegen Währungsverluste gesichert sein.
( 3 ) Die Beteiligung nach § 5 Absatz 1 Nummer 5 darf maximal 5 Prozent des Geld- und Wertpapiervermögens und einen Maximalbetrag von 5 000 Euro bei Kirchengemeinden bzw. 15 000 Euro bei Kirchenkreisen nicht überschreiten.
( 4 ) Anlagen in Aktien unter Berücksichtigung der Anlagen nach § 5 Absatz 2 Nummern 2 und 5 dürfen 20 Prozent des Geld- und Wertpapiervermögens nicht überschreiten. Bei der Anlage in Aktien ist zu beachten, dass ein langfristiger Anlagehorizont gegeben ist.
( 5 ) Der Anteil von Immobilienfonds nach § 5 Absatz 2 Nummer 4 darf 15 Prozent der Anlagen des Geld- und Wertpapiervermögens nicht überschreiten.
( 6 ) Im Fall des Downgrades von Anlagen auf ein Rating unterhalb von Investmentgrade nach § 5 Absatz 3 soll der Anteil dieser Anlagen am Geld- und Wertpapiervermögen 5 Prozent nicht überschreiten. Bei Überschreitungen ist das Landeskirchenamt zu informieren und eine wirtschaftlich sinnvolle Verfahrensweise zu vereinbaren.
( 7 ) Der Anteil von Genossenschaftsanteilen nach § 5 Absatz 1 Nummer 4 darf 5 Prozent der Anlagen des Geld- und Wertpapiervermögens nicht überschreiten.
( 8 ) Sollte das Landeskirchenamt die Freigabe nach § 5 Absatz 2 Nummer 5 für ein im Bestand befindliches Wertpapier aufheben, ist über die weitere Verfahrensweise mit dem Landeskirchenamt Einvernehmen herzustellen.
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§ 7
Bewertung der Wertpapiere

Wertpapiere, deren Rückzahlung am Ende der Laufzeit zu 100 Prozent erwartet wird, sind mit dem Nominalwert anzusetzen. Über- oder unterschreitende Kaufpreise sind abzugrenzen und über die Laufzeit ab- beziehungsweise zuzuschreiben. Geringfügige Differenzbeträge in Höhe von bis zu 10 Prozent des Nominalwertes können im Jahr der Anschaffung ergebnisrelevant werden. Andere Anlagen sind bei Kauf zum Kurswert anzusetzen.
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§ 8
Fonds für Wertschwankungen

( 1 ) Für Anlagen, die Wertschwankungen unterliegen, sind Rückstellungen zu bilden. Die Höhe der zu bildenden Rückstellungen beträgt 10 Prozent der jährlichen Bruttoerträge aus den verwalteten Anlagen. Bruttoerträge aus verwalteten Anlagen sind die Erträge, die dem Anleger unmittelbar zugeflossen sind.
( 2 ) Keine Rückstellungen sind zu bilden für Anlagen, die bei Endfälligkeit in voller Höhe zurückgezahlt werden und durch einen Sicherungsfonds geschützt sind.
( 3 ) Bei Kassengemeinschaften ist die Rückstellung durch die kassenführende Stelle zu bilden.
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§ 9
Berichterstattung

( 1 ) Für die Entscheidung über Anlagen nach § 5 Absatz 1 ist das jeweilige Leitungsorgan zuständig.
( 2 ) Für die Entscheidung über Anlagen bei den Kassengemeinschaften nach § 5 Absatz 2 ist das Kreiskirchenamt zuständig. Das Kreiskirchenamt berichtet jährlich über die Anlagen und deren Ergebnisse dem Leitungsorgan seines Rechtsträgers.
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§ 10
Übergangsregelung

( 1 ) Für bereits bestehende Anlagen gilt hinsichtlich der Transformation in die zukünftige Anlagestruktur laut dieser Richtlinie ein Übergangszeitraum von zwei Jahren beginnend ab dem Inkrafttreten.
( 2 ) Die Frist kann für Kirchengemeinden nach § 5 Absatz 1 mit Genehmigung des zuständigen Kreiskirchenamtes auf bis zu fünf Jahre verlängert werden; in allen anderen Fällen ist die Verlängerung der Frist längstens für fünf Jahre durch das Landeskirchenamt möglich.
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§ 11
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

( 1 ) Diese Richtlinie tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Richtlinie über die Anlage des Geld- und Wertpapiervermögens der Kirchengemeinden und Kirchenkreise der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Anlagerichtlinie Kirchenkreise – AnlRKK) vom 26. April 2013 (ABl. S. 198) außer Kraft.
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Anlage: Ratingtabelle

Moody's
Standard & Poor's
Fitch
Bonitätsbewertung
Sehr gute Anleihen (Investmentgrade)
Aaa
AAA
AAA
Höchste Kapitalausstattung, geringstes Ausfallrisiko
Aa1
AA+
AA+
Sehr gute Kapitalausstattung, aber etwas Aa2 AA AA größeres Risiko als die Spitzengruppe
Aa2
AA
AA
Aa3
AA-
AA-
Gute Anleihen (Investmentgrade)
A1
A+
A+
Gute Kapitalausstattung,viele gute Investmenteigenschaften, aber auch Elemente, die sich bei veränderter Wirtschaftsentwicklung negativ auswirken können
A2
A
A
A3
A-
A-
Baa1
BBB+
BBB+
Angemessene Kapitalausstattung, aber verringerter Schutz gegen die Einflüsse sich verändernder Wirtschaftsentwicklung
Baa2
BBB
BBB
Baa3
BBB-
BBB-
Spekulative Anleihen (kein Investmentgrade)
Ba1
BB+
BB+
Spekulative Anlage, nur mäßige Deckung für Zins- und Rückzahlungen
Ba2
BB
BB
Ba3
BB-
BB-
B1
B+
B+
Sehr spekulativ, generell fehlende Eigenschaften eines wünschenswerten Investments, langfristige Zinserwartung gering
B2
B
B
B3
B-
B-
Junk Bonds (kein Investmentgrade)
Caa1
CCC+
CCC
Niedrigste Qualität, geringster Anlegerschutz, in Zahlungsverzug oder in direkter Gefahr des Verzugs
Caa2
CCC
CC
Caa3
CCC-
C
Ca
CC
C
C
D
D
Kreditausfall
Quelle: Basisinformationen über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen (12. Ausgabe 2017)